The Big Short (2015) | Film, Trailer, Kritik (2024)

    • Kritik
    • Handlung

    Eine Filmkritik von Sonja Hartl

    Der große Knall

    Zusammenhänge zwischen Ereignissen werden meist erst im Nachhinein hergestellt – und dann oftmals mit vereinfachender Klarheit. Doch was wäre, wenn man eine Entwicklung vorhersehen könnte? Und zwar nicht aufgrund von Superheldenkräften, Glaskugeln oder sonstigen magischen bis esoterischen Talenten, sondern schlicht und einfach, indem man seine Arbeit erledigt. Denn genau das hat Michael Burry (Christian Bale) getan: Er hat sich die Immobilienfonds genau angesehen, sie analysiert und dadurch Jahre vor 2008 erkannt, dass der amerikanische Immobilienmarkt, das Rückgrat der amerikanischen Wirtschaft, eine gigantische Blase ist, die irgendwann unweigerlich platzen wird. Und da er Hedgefonds-Manager ist, will er die Welt nicht retten, sondern beginnt damit, viel Geld auf dieses Platzen, auf das Kollabieren der amerikanischen Wirtschaft zu setzen. Die Banken halten ihn für einen Spinner, mit dem sie mehr Geld machen können, seine Investoren glauben, er wolle sie in den Ruin treiben. Doch der Zuschauer von The Big Short ahnt, dass dieser seltsame Mann mit dem Glasauge und den kaum vorhandenen sozialen Fähigkeiten genau richtig liegt.

    Abgesehen von Michael Burry und dem Zuschauer erkennen das noch weitere Außenseiter: der laute, zynische Trader Mark Baum (Steve Carrell) sieht sich in seinem Weltekel bestätigt, der bei der Deutschen Bank arbeitende Jared Vennett (Ryan Gosling) in seiner Überzeugung, dass sein Arbeitgeber sowie Lehmann Brothers, JP Morgan Chase und andere Banken in gewissenloser, womöglich krimineller Art und Weise zusammenarbeiten; die Neueinsteiger Charlie Geller (John Magaro) und Jamie Shipley (Finn Wittrock) wittern eine Chance auf das ganz große Geld und der von der Finanzwelt angewiderte Ex-Berater Ben Rickert (Brad Pitt) kehrt neugierig aus dem Ruhestand zurück. Rickert ist der einzige in dieser Figurengruppe, der ansatzweise sympathisch wirkt – noch nicht einmal Jared Vennett als Erzähler erscheint sonderlich heldenhaft. Denn im Grunde genommen setzen sie alle auf den großen Knall, den Ruin, durch den Millionen Menschen ihr Haus und ihre Ersparnisse verlieren werden. Sie sehen das Chaos kommen. Und doch gelingt es Regisseur und Co-Drehbuchautor Adam McKay in seinem Film, dass sie in dieser gewissenlosen Welt als die Guten erscheinen, diejenigen, die das System wenigstens hinterfragen oder bezwingen wollen. Mehrfach unternehmen sie unabhängig voneinander verschiedene Anläufe, die großen Teilnehmer dieses Feldes zu warnen. Aber niemand will ihnen glauben – und selbst nach dem Knall sind sie diejenigen, die kritisch beäugt werden. Denn das System hat sich selbst mal wieder gerettet.

    Basierend auf dem gleichnamigen Buch von Michael Lewis ist Adam McKay mit The Big Short ein großartiger Film über die Finanzkrise gelungen, der zynischer, gnadenloser und tiefer als The Wolf of Wall Street zu der hässlichen, gierigen Fratze der Finanzwelt vordringt. Er entlarvt die Gier und Ungerechtigkeit eines Systems in einer Mischung aus rasanter Musikvideo-Schnittästhetik und klassischem Finanzdrama. Dabei ist es trotz der namhaften und guten Besetzung vor allem die Inszenierung, die aus The Big Short einen der besten Filme zur Finanzkrise macht. Sowohl im Schnitt als auch in den gesprochenen Dialogen wird ein irrwitziges Tempo durchgehalten, das der Rasanz und dem Druck der Finanzwelt entspricht. In Einspielern erklären beispielsweise die in einer Badewanne liegende Margot Robbie bei einem Glas Champagner, Anthony Bourdain beim Kochen oder Selena Gomez beim Blackjack in Las Vegas wichtige Begriffe, Fondsarten und Zusammenhänge. Erzähler Vennett durchbricht immer wieder die vierte Wand und spielt in einer Präsentation schon einmal Jenga, um die „Ninja“-Darlehen zu erklären. Nicht jede Einzelheit aus dem Finanzwesen ist zu verstehen, doch damit spiegelt der Film gewissermaßen eine wichtige Eigenschaft der Finanzkrise wider: Auch sieben Jahre nach dem Zusammenbruch 2008 hat kaum jemand die einzelnen Schritte nachvollzogen, die zu ihr führten. Stattdessen ist einfach so gut wie alles beim Alten geblieben. Deshalb ist The Big Short ein witziger, unterhaltsamer und ungemein zynischer Film, der die schlimmsten Befürchtungen bestätigt und einen letztlich wütend macht über den Zustand dieser (Finanz-)Welt.

    Zusammenhänge zwischen Ereignissen werden meist erst im Nachhinein hergestellt – und dann oftmals mit vereinfachender Klarheit. Doch was wäre, wenn man eine Entwicklung vorhersehen könnte? Und zwar nicht aufgrund von Superheldenkräften, Glaskugeln oder sonstigen magischen bis esoterischen Talenten, sondern schlicht und einfach, indem man seine Arbeit erledigt.

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